Und die Musi spielt dazu

Ein großartiger Bericht von Ralf Tögel in der Süddeutschen Zeitung über die Handball Weltmeisterschaft in München


15. Januar 2019, 18:46 Uhr

Handball - Und die Musi spielt dazu

Dank den Fans und dem bayerischen Brauchtum wird die Vorrunde der Handball-Weltmeisterschaft in der Münchner Olympiahalle ein großer Erfolg.

Von Ralf Tögel

Operetten-Publikum, zu satt, zu verwöhnt. Eine Vorrundengruppe bei der Handball-Weltmeisterschaft ohne deutsche Beteiligung in München? Wird nie funktionieren. Man kennt viele nicht sehr schmeichelhafte Beschreibungen für den Münchner Sportfan (so lange es nicht um Fußball geht), entsprechend groß waren die Befürchtungen, eine solche Veranstaltung in die Landeshauptstadt zu vergeben. Vornehmlich aus dem Norden schwappten die Vorbehalte gen Südbayern, wie eine unheilvolle Welle an düsteren Voraussagen. Aus jenen bekannten Handball-Hochburgen, in denen deutsche Topteams beheimatet sind, "um nicht Kiel zu sagen", wie Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbunds (DHB) bei einer Werbeveranstaltung in München süffisant anmerkte. Was sich als Irrtum erwiesen hat, die Olympiahalle ist dreimal komplett und zweimal fast ausverkauft.

Ob es am ambitionierten Rahmenprogramm liegt, das der DHB, der Bayerische Handballverband (BHV) und die Olympiapark München GmbH (OMG) auf die Beine gestellt haben? Auch, sagt Olympiapark-Pressechef Tobias Kohler, zunächst aber müsse "das Kernprodukt passen", sonst würden auch die Bemühungen rund um das Event ins Leere laufen. "Aber diese kleinen und größeren Aha-Effekte sind natürlich sehr wichtig, um das Publikum mitzunehmen, anzuheizen und eine besondere Atmosphäre in der Halle zu schaffen."

Das ist augenscheinlich gut gelungen, die Stimmung ist prächtig, ein so buntes wie lautes Fan-Völkchen bereichert die Zuschauerränge in der Halle wie der Klatschmohn in dem berühmten Monet-Gemälde. Freilich hatte der Veranstalter auch ein bisschen Losglück, was in der Stadt des FC Bayern nicht ungewöhnlich ist. Neben dem gesetzten Gruppenkopf Spanien - der Europameister steht zuvorderst für sportliche Qualität-, sind Kroatien, Island, Mazedonien, Japan und Bahrain nach München gelost worden. Durfte man bei den Kroaten noch den Wunsch der Versetzung in die Landeshauptstadt äußern, weil diese auch die größte Kolonie an EU-Ausländern in München stellen, so waren Island und Mazedonien zwei weitere Glücksfälle. Der isländische Verband hat mit 1000 Karten das mit Abstand größte Kontingent an Tickets aufgerufen, was unterstreicht, welch reise- und feierlustiges Volk auf der Insel der Geysire im hohen Norden beheimatet ist. Die lautesten Fans sind indes die Kroaten, was schlichtweg an ihrer Anzahl liegt, denn wie erwartet strömen Münchens Kroaten besonders zahlreich in die Halle.

Trotz der 1400 Kilometer Anreise tummelt sich auch eine ansehnliche Zahl mazedonischer Fans in der Halle, die der Spanier ist kleiner, zudem gesellen sich die neutralen Fans gerne auf die Seite des Außenseiters - gegen Spanien. Was den Iberern bei ihren Siegen gegen Island, Bahrain und Japan stets ein Auswärtsgefühl beschert. Speziell Japan genießt große Sympathien, was besonders Trainer Dagur Sigurdsson geschuldet ist. Dem wird die deutsche Handballnation den EM-Titel und Olympia-Bronze 2016 noch lange danken.

Aber auch das Rahmenprogramm im so genannten Umgriff, der Freifläche auf der obersten Ebene der Halle, trägt zum Gelingen der Veranstaltung bei. Man kann Bälle in die Türme der Frauenkirche werfen, das Thema Inklusion wird mit einem kleinen Spielfeld behandelt, auf dem sich die Besucher im Rollstuhl-Handball versuchen können. Man kann Fan-Utensilien erstehen, es gibt Reaktionsspiele, Zielwerfen und der Uwe Gensheimer von morgen kann vom BHV schon einmal seine Wurfgeschwindigkeit messen lassen.

Der Stimmungsbringer aber ist das bayerische Brauchtum. Die Idee des OMG-Organisationsteams um Frank Seipp und Markus Schnetzer, ein Mini-Alpendorf in Form von zwei Almhütten nebst zugehörigem Biergarten unter das weltberühmte Hallendach zu bauen, ging schon auf. Das Ganze musikalisch mit einer Wiesn-Band und Musikanten in Tracht zu untermalen, die dank ihrer Mobilität überall in der Halle aufspielen, ist die stimmige Pointe auf den Einfall. Olympiapark-Geschäftsführerin Marion Schöne weiß schon, bei wem sie sich zu bedanken hat: "Unser hoch motiviertes Team hat fantastische Arbeit geleistet und wir haben gezeigt, der Olympiapark und Sport, das gehört zusammen." Von Operettenpublikum jedenfalls keine Spur, das Turnier wird ein weiterer Meilenstein in der Sporthistorie der Stadt sein. "Natürlich ist es heute für einen Veranstalter nahezu Pflicht, den Sport mit einer tollen Eventpräsentation noch attraktiver zu machen", sagt Kohler.

Die OMG darf sich über Lob von allen Seiten freuen, was die Chancen auf einen Spielort für die EM 2024 in Südbayern erhöht. Um nicht München zu sagen.

Text: Süddeutsche Zeitung - Ralf Tögel 

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